Vorwort:------------
Ich habe beide Sender, die neue 9XR und die "alte" 9X, intensiv getestet und umgebaut, dran gebastelt und probiert und will hier mal meinen ganz persönlichen und nicht völlig objektiven Vergleichseindruck dieser beiden Turnigy-Sender wiedergeben.
Dieser Text ist sehr lang geworden und geht ausführlich auf diverse Punkte ein.
Für alle Ungeduldigen: Am Ende seht ein Fazit, dass kurz die wesentlichen Punkte zusammenfasst. Alle anderen können gerne die ausführliche Fassung lesen.
Auf einen Punkt gehe ich auf keinen Fall ein:
Die CE-/KE-Frage bleibt unbehandelt und ich möchte auch keine Diskussion darüber entfachen ob dieser oder jener Sender aus welchen Gründen auch immer rechtlich betrachtet besser/schlechter oder bla, bla, bla,...!
Dieser Teil 1 geht auch nicht auf Hardware-Modifikationen des Sender ein. Dazu schreibe ich später noch einen eigenen Bericht.
Design und Verarbeitung:---------------------------------
Für meinen persönlichen Geschmack ist das Design der 9XR viel zu verspielt und verschnökelt mit viel zu vielen Ecken und Kanten. Besonders die wechselbare "Faceplate", also die verchromte Plastikabdeckung um den Bereich der Knüppel herum, ist für meinen Geschmack viel zu zerklüftet. In Kombination mit der hochglänzenden Verchromung wirkt es sehr "bemüht" modern auszusehen. Auch die glänzend verchromten Einfassungen um die Schalter herum und die verchromten Menü-Tasten unterstreichen diesen Eindruck.
Wäre statt dem hochglänzenden Chrom-Zeug sowas wie gebürstetes Alu (oder etwas, das so wirkt) vorhanden und das dann noch glatt und unzerklüftet (so à la Futaba T8FG) - das wäre was!
Vielleicht ist das ja eine Marktlücke für "gecleante" Nachrüst-Faceplates...
Die "alte" 9X sieht zwar sehr nüchtern und langweilig aus, aber das 9XR-Design ist mir zu sehr amerikanisch-asiatisch ausgefallen. Wer's mag...
Die Verarbeitung ist soweit in Ordnung und die Haptik ist ok. Es sind aber in den schwarzen Kunststoffteilen teilweise leichte Spuren von Problemen mit dem Spritzgussprozess zu erkennen. Es gibt dort feine hellere Linien, die oberflächlich betrachtet wie Risse aussehen. Da muss der Spritzgussprozess noch optimiert werden...
Der Sender liegt gut in der Hand und ist angenehm balanciert, das "Griffgefühl" ist solide und nicht allzu billig, aber die sehr harten und ausgeprägt deutlichen Noppen auf der Unterseite müssten so nicht sein. Hier wäre weniger mehr.
Die Qualität der Kippschalter ist offenbar besser als bei der "alten" 9X. Der Unterschied bei der Betätigung ist spürbar. Die "alte" 9X hatte sehr knackig und "hart" wirkende Schalter. Dies ist bei der 9XR besser: Die Schalter sind leichtgängig, vermitteln aber ein deutliches haptisches Feedback und sind dabei auch deutlich leiser, als bei der 9X.
Die Potis hingegen sind offenbar gleich geblieben und machen einen sehr billigen Eindruck.
Die Menütasten und die Trimmtasten sind als Silikondrucktaster ausgeführt und vermitteln ein ausgesprochen schwammiges und unpräzises Gefühl, wobei die Menütasten noch deutlich schlechter wirken. Während die Trimmtasten noch akzeptabel sind, hat man bei den Menütasten wirklich das Gefühl einen Schwamm einzudrücken.
Man weiß eigentlich nie, ob man jetzt eine Aktion ausgelöst hat oder nicht. Ich finde es fürchterlich...
--> siehe dazu
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]Die Knüppelaggregate fühlen sich gut an und die Knüppel lassen sich sehr angenehm und leichtgängig bewegen, ohne dass sie kratzen, schaben oder ruckeln. Allerdings finde ich die Knüppelaggregate meiner "alten" 9X ebenso gut und ich sehe/merke da keinen Unterschied.
Aus unverständlichen Gründen ist der Umbau von Mode 1 auf 2 oder umgekehrt sehr aufwändig und erfordert entweder Lötarbeiten an den Potis oder einen relativ großen mechanischen Umbau von Kleinbauteilen. Das hätte man viel vernünftiger lösen können, wie die "alte" 9X zeigt.
--> siehe
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]Noch ärgerlicher ist aber, dass man die Federspannung in den Knüppelaggregaten nicht einstellen kann. Man könnte höchstens die Federn durch andere Modelle mit mehr oder weniger Spannung ersetzen. Das ist wirklich richtig dämlich gemacht worden! Für meinen Geschmack ist zwar die Federspannung ok, aber da hat ja jeder seine Vorlieben.
Technische Gestaltung:------------------------------
Für viele ist es vermutlich ein Vorteil, dass die neue 9XR bereits eine eingebaute Hintergrundbeleuchtung für das Display hat. Diese wird mit fünf blauen LEDs realisiert und ist sehr hell (für meinen Geschmack fast zu hell), lässt sich entweder per beliebig zuteilbarem Kippschalter oder automatisch durch Tastendruck einer Menütaste aktivieren und geht nach einer einstellbaren Zeitspanne wieder aus.
Die Beleuchtung ist gleichmäßig und zeigt keine hellen Stellen oder wolkige Flächen oder sowas.
Bei einem neu entwickelten Sender wäre es eine Kleinigkeit gewesen, eine Helligkeitsregelung für die Hintergrundbeleuchtung zu realisieren. Schade, dass sowas nicht vorgesehen ist. Vermutlich gab es keinen anderen Sender, bei dem man das hätte abkupfern können...
Das Display hat die gleiche Größe und Auflösung wie bei der "alten" 9X, wirkt aber schärfer und besser ablesbar. Das mag vielleicht auch an der äußeren Abdeckung aus echtem Glas liegen. Dadurch ist natürlich auch die Kratzfestigkeit deutlich höher als bei der einfachen Plastikabdeckung der "alten" 9X.
Außerdem ist bereits eine 6-polige AVR-ISP-Schnittstelle vorhanden, welche sich hinter einer Gummikappe am unteren Ende verbirgt. Die Schnittstelle ist als 2x3-Stiftleiste herausgeführt und entspricht der Standardbelegung von Atmel für 6-polige ISP-Stecker.
Die Realisierung auf der Leiterplattenseite ist hingegen grausam stümperhaft durchgeführt:
Sechs einzelne Kabel führen zu den passen Lötpunkten auf der Platine und sind dort teilweise sehr laienhaft angelötet. Es wirkt so, als wäre die ISP-Schnittstelle als Last-Minute-Lösung noch "draufgefummelt" worden. Es gibt nicht einmal eine Zugentlastung oder sowas für die Kabel. Jeder Hobbyelektroniker kann das besser...
Zumindest klappt damit ein Firmware-Update und das Sichern von Modellen und des gesamten EEPROMs über einen AVR-ISP-Programmer einwandfrei.
Ich hätte mir gewünscht, dass ein solcher Programmer gleich mit eingebaut bzw. vernünftig auf der Hauptplatine realisiert worden wäre (so wie beim Smartieparts-Board für die "alte" 9X) und nach außen dann eine USB-Schnittstelle führt.
Leider ist auch die sonstige technische Ausgestaltung - auch bei sehr großzügiger Interpretation - kein überzeugendes Plädoyer für fernöstliche Designkünste. Es wimmelt im Sender nur so vor Kabelsalat, einzelnen Platinchen und Kunststoffhalterungen für diese zahlreichen Platinen und diverse andere Teile.
Fast jede nach außen führende Schnittstelle - sei es für Akku, Trainer/Simulator, ISP, Ladebuchse - sitzt auf einer kleinen Platine, die wiederum in einem Plastikteil steckt, dass irgendwo hingesteckt wird - und alle hübsch unsauber miteinander durch zahlreiche Kabel und Stecker verbunden.
Dazu kommen dann noch die vielen Extraplatinchen für jede Trimmwippe, jedes Knüppel-Poti und die ganzen Schalter. Ein Kabelsalat, wie er wohl schechter kaum machbar gewesen wäre...
Durch das ganze Chaos im Inneren des Senders ist nur wenig freier Platz vorhanden und es ist kaum noch möglich z.B. ein FrSky-Funkmodul der DHT-Bauweise intern einzusetzen.
Alle Kippschalter in der 9XR stammen vom einem nicht identifizierbaren Hersteller. Es fehlen jedwede Kennzeichnung oder Markierung. Die Schalter der "alten" 9X waren/sind vom chinesischen Hersteller
Ningbo Huali Electronic Co. Ltd..
Die 9XR-Schalter funktionieren einwandfrei, sind recht leise und machen einen ordentlichen Eindruck. Über die Haltbarkeit kann ich nichts sagen.
Alle Lötverbindungen an den Schaltern (und auch Potis) sind zusätzlich noch mit etwas Klebstoff gesichert.
Die Potis sind von einfachster "Qualität" und Bauart. Leider gilt das auch für die Potis in den Knüppelaggregaten.
In diesen Punkten unterscheiden sich 9X und 9XR leider nicht.
Die Knüppelaggregate der 9XR sind zwar kugelgelagert, das jedoch unsinnigerweise pro Achse nur einseitig, während die Poti-Seite nur ein Messing-Gleitlager - nämlich das des Potis selbst - hat. Idiotisch und kurzsichtig...
Ein Problem, dass bereits mehrfach berichtet wurde, ist die nicht exakte Rückstellung der Knüppelpotis in die Nullstellung. Bei meiner 9XR lag das daran, dass sich die Potis in ihren Halterungen etwas mitbewegen konnten, wenn man die Knüppel betätigte. Nachdem ich alle Knüppelpotis mit Heißkleber festgeklebt hatte, war das Problem behoben.
Die dümmste "Errungenschaft" der 9XR stellt für mich die eingebaute Antenne dar. Da sie keinem Standard entspricht, bekommt man auch (noch?) keine Module, die sie nutzen können.
Wer z.B. FrSky als DHT- oder DJT-Modul verwenden möchte, muss ohnehin dessen Antenne verwenden.
Das großmäulig beworbene DSM-Modul für die 9XR gibt es (noch?) nicht und andere passende JR-Module verwenden die interne Antenne nicht. Wozu ist also die interne Antenne gut?
Davon abgesehen sind viele Steckverbindungen keineswegs förderlich für die Antennenleistung.
Der koaxiale Steckanschluss im Modulschacht entspricht der Bauform einer MCX-Buchse. Wer viel Spaß am Basteln hat und mit MCX-Steckern und dünnen Koax-Kabeln umgehen kann, kann sich ggf. selbst ein Sendemodul, dass die interne Antenne nutzt, zusammenbauen.
Sowas ist z.B. hier zu bewundern:
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]Außerdem doof gemacht: Obwohl FrSky bekanntermaßen viel in der "klassischen" 9X genutzt wurde und wird und viele Nutzer in den entsprechenden Foren darüber berichteten, muss weiterhin ein Hardware-Umbau mit Lötarbeiten durchgeführt werden, wenn man FrSky-Telemetrie auf dem Sender-Display verwenden möchte.
Das müsste nicht sein, denn trotz Hardware-Umbau kann man auch bei einem für FrSky vorbereiteten Sender natürlich auch andere Sendemodule weiterverwenden. Es wäre also eine Kleinigkeit gewesen, dies beim Leiterplattendesign zu berücksichtigen.
Jetzt komme ich zum Akku-Fach und der Spannungsversorgung.
Das Akku-Fach ist wirklich sehr groß ausgefallen (124 x 45 x 26 mm) und bietet damit deutlich mehr Platz als das der 9X. Außerdem kann man den rechten Endteil des Akkufachs "ausklipsen" und entfernen, damit man noch längere Akkus einsetzen kann.
Weniger gut finde ich die Buchse, welche als 3S-JST-XH-Anschluss für den direkten Anschluss eines 3S-Akkus über dessen Balancer-Stecker gestaltet ist.
Die Position der Buchse ist nicht besonders geschickt gewählt, da das Kabel des Akkus immer sehr stark geknickt wird (Akkusfachdeckel ist zu nahe).
Dazu kommt, dass ein 3S-Akku bei dem Sender völlig sinnlos ist, da intern sowieso nur mit 5.0 bzw. 3.3 Volt gearbeitet wird und diese Spannungen über normale Linearregler erzeugt werden. Die große Spannungsdifferenz zwischen den tatsächlich verwendeten 5 Volt und der Akkuspannung wird als Abwärme sinnlos verpulvert.
Hätte man besser von vornherein einen LDO-Regler verbaut und einen 2S-Anschluss vorgesehen, wäre das wesentlich vernünftiger und energetisch effizienter gewesen.
Bedienung/Software:----------------------------
Als Software wird im Auslieferungszustand eine von Hobbyking angepasste Version von er9x, Build 762 verwendet, welche offenbar unter Missachtung der Lizenzbedingungen seitens Hobbyking quasi illegal benutzt wird (hier nachzulesen:
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können] ).
Super Leistung...
Wer mehr über die Software im Auslieferungszustand wissen möchte:
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]Davon abgesehen fehlen hier und da ein paar Menüpunkte, welche in dem Sender keinen Sinn machen (z.B. Vibrationsalarm, weil nicht vorhanden).
Die sonstigte Flexibilität von er9x ist erhalten geblieben, aber leider auch dessen große Komplexität.
Die Software ist für Anfänger meiner Meinung nach völlig untauglich, weil viel zu komplex. Die vielen Abhängigkeiten und Programiermöglichkeiten sind für "Freaks" toll, aber für Anfänger bestenfalls verwirrend.
Und - auch das muss man mal ehrlich sagen - die Dokumentation ist bei er9x, open9x und den anderen daraus abgeleiteten Versionen (wie leider bei vielen freien Software-Projekten) eher schlecht und eine wirklich gute und verständliche Benutzeranleitung gibt es nicht.
Zwar gibt es mit einem
sehr aktiven Forum und einem
zugehörigen Wiki eine große Fülle an Informationen (nur englisch), aber wenn man als Anfänger nicht genau weiß, was man eigentlich sucht, dann nützt das herzlich wenig.
Aber ich möchte hier dennoch betonen, dass ich ein großer Fan von er9X, open9x und wie sie alle heißen bin und die hervorragende Entwicklungsarbeit hinter dem Projekt sehr schätze und honoriere! Es ist auch kein grundsätzlicher Fehler, diese Software zu verwenden, denn sie kann sehr viel. Lediglich für Anfänger ist sie eher ungeeignet.
Als einigermaßen erfahrener Benutzer kommt man jedoch mit dem Sender gut klar und die "Freaks" werden ja sowieso eine aktuelle Vollversion von er9x, open9x oder ähnliches aufspielen.
Da die Software ohnehin nicht auf einem aktuellen Stand war bzw. ist und auch kaum relevante Unterschiede zwischen der HK-Version und den "echten" Versionen von er9x bestehen, würde ich dazu raten eine aktuelle Firmware aufzuspielen. Ob man dann er9x oder lieber open9x benutzt ist jedem selbst überlassen. Ich habe bei meiner 9XR er9x Build 787 aufgespielt und nutze diese in der FrSky-Version.
mein Fazit:----------------
gut:
- Backlight vorhanden, gleichmäßige Ausleuchtung
- ISP-Schnittstelle vorhanden, Atmel-Belegung
- Verarbeitung für den Preis ok
- sehr großes Akkufach
- gängiger Steckanschluss für Akku
- liegt gut in der Hand, gute Balance
- soweit erkennbar bessere Kippschalter als in der 9X
schlecht:
- billige Potis
- sehr schwammige Gummi-Tasten für Menü und Trimmung
- technische Umsetzung teilweise erschreckend stümperhaft
- wirrer Kabelsalat
- Federkraft der Knüppelaggregate NICHT einstellbar
- Mode-Wechsel hardwareseitig sehr aufwändig
- technisch unsinnige 3S-Versorgung über LiPo oder LiFePO4
- ungünstige Positionierung des Akkuanschlusses
- sehr wenig Platz im Inneren (Platzproblem bei FrSky DHT-Modul oder sonstigen Mods)
neutral bzw. Geschmacks-/Auslegungssache:
- Softwarenutzung seitens HK nicht legal (-->
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können] )
- Software zu komplex für Anfänger
- Design sehr verspielt/zerklüftet
- interne Antenne derzeit nutzlos
Berücksichtigt man vor allem das großmäulige Werbebrimborium um die neue 9XR, dann ist der Sender eine ziemliche Enttäuschung.
Geht man mit mehr Realismus heran und betrachtet auch den Preis, dann bekommt man einen brauchbaren Sender (ohne Modul), der jedoch in der Summe keine signifikanten Vorteile gegenüber der "alten" 9X hat.
Wer sich von Lötarbeiten abgeschreckt fühlt, greift vielleicht lieber zur neuen 9XR, muss aber mit deren Macken leben, wer jedoch gegen Lötbasteleien nichts hat, ist meiner Ansicht nach mit der "klassischen" 9X besser bedient.
Sowohl die 9XR als auch die 9X sind weit entfernt vom perfekten Sender, liefern aber für den Preis einen brauchbaren Grundstock. Anfänger fahren mit der "klassischen" 9X wegen deren einfacher Software von Haus aus vermutlich besser und viele ambitionierte Bastler schätzen ihr großes Platzangebot im Inneren.
Mehr noch als die "klassische" 9X ist die neue 9XR weitgehend ein typischer Bastlersender für RC-Freaks geblieben - schade drum.
Im zweiten Teil wird es um die Realisierung von diversen Hardware-Verbesserungen gehen.